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Ein katastrophaler Einsatz und viele Fragen an die Polizei

Volle Hütte, für Anfang November erstaunlich mild und zwei große Fanlager. Ein Tag wie gemacht für ein stimmungsvolles Spiel. Jedoch wurde bereits in den Tagen vorher sehr deutlich, dass nicht alle in der Stadt daran ein Interesse hatten.

Die Berichterstattung, garniert mit reißerischen Aussagen angeblich anonymer Personen und heraufbeschworenen Horrorszenarien durch die Berliner Polizei, erreichte täglich neue Tiefpunkte. Selbst die Pressesprecherin des Vereins sah sich dadurch auf der Spieltagspressekonferenz dazu gezwungen, mit deutlichen Worten an alle zu appellieren, Spekulationen einzustellen.

Diese eindringliche Bitte scheint jedoch leider bei der Polizeiführung nicht angekommen zu sein. Dort ließ man sich ganz offensichtlich von der allgemeinen Hysterie anstecken. Ein nie dagewesenes Aufgebot samt Wasserwerfern und Vereinzelungsgittern wurde am Gästeeingang aufgefahren. Auch die Heimfanszene wurde ohne erkennbaren Grund und entgegen jeder Absprache zwischen Verein und Ordnungskräften beim Betreten des Stadion von den Einsatzkräften provoziert und bedrängt. Nur durch das Einschreiten der Fanbetreuung ließen sich die Einsatzkräfte letztlich stoppen.

Doch für die im Vorfeld hochgelobte und überall ausgerufene Sektorentrennung im Stadion waren dann offensichtlich keine Kapazitäten mehr vorhanden, da ein völlig falsches Einsatzkonzept gefahren wurde. Gängelungen und Provokationen waren Priorität für die Polizei. Mit Blick auf die aktuelle Sicherheitsdebatte kommen manche Bilder den Sicherheitsfanatikern gut zupass. Beachtlich sind in diesem Zusammenhang Aussagen einzelner Einsatzkräfte wie „im Stadion greifen wir nicht ein, lass die heute machen”. Damit steht der Vorwurf der gezielten Tatprovokation durch die Polizei im Raum.

Um die eigenen Fehltritte zu kaschieren und um Reaktionen zu provozieren, marschierten zusätzlich noch behelmte Einheiten auf der Tartanbahn vor der Kurve auf. Ebenso wurden Einheiten mit Hunden in der Halbzeitpause in den Umlauf über der Kurve positioniert. Beides eine bislang einmalige Aktion ohne Sinn und Verstand.

Es wird zu klären sein, warum sich die Einsatzleitung von einer aufgehetzten Berichterstattung hat treiben lassen und erneut einen Großeinsatz völlig fehlerhaft plante. Warum waren martialische Bilder am Gästeeingang wichtiger als eine konsequente Sektorentrennung? Und wie werden sich bei der Berliner Polizei die oben zitierten Aussagen der eigenen Einsatzkräfte erklärt? Waren sogenannte Tatprovokateure der Polizei im Einsatz, wie es nachweislich schon in der Vergangenheit im Olympiastadion der Fall war?

Viele Fragen bleiben offen, die von der Berliner Polizei beantwortet werden müssen.

Fans als Testobjekt: Englands Polizei setzt DNA-Spray ein

Bereits in der Vergangenheit wurden gegen Fußballfans immer wieder neue, weitergehende polizeiliche Maßnahmen eingesetzt, die völlig übertrieben waren bzw. sind. Diese wurden ganz bewusst durch die Sicherheitsbehörden im Fußballumfeld getestet und später auf andere gesellschaftliche Bereiche ausgedehnt. Beispiele hierfür sind unter anderem undurchsichtige und rechtswidrige Datenbanken, Aufenthaltsverbote und willkürliche Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit.

Die englische Polizei geht nun einen weiteren unverhältnismäßigen Schritt, in dem sie sogenanntes DNA-Spray großflächig gegen Fans einsetzen wird. Dieses Spray ist auf den ersten Blick unsichtbar, klebt aber auf der Haut und kann noch monatelang unter UV-Licht nachgewiesen werden.

Es braucht nicht viel Fantasie, um vorherzusagen, dass eine einmal dadurch markierte Person als hinreichend verdächtig angesehen wird, egal ob sie eine Straftat wirklich begangen hat oder nicht. Gleichzeitig ist diese Langzeit-Markierung von einzelnen Fans auch ganz grundsätzlich völlig unverhältnismäßig. Denn auch in England sind die Fußballstadien sichere Orte.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnahme doch noch zurückgenommen wird. Und bestimmt träumen auch schon die bekannten Scharfmacher von Polizeigewerkschaften und Innenpolitikern von einer Einführung dieses DNA-Spray hierzulande. Eine Einführung wäre in jedem Fall ein weiterer Radikalisierungsschritt im Umgang mit Fans und würde auf unseren lauten Widerstand treffen.

Nachfolgend findet ihr die übersetze Stellungnahme der Football Supporters’ Association vom 07. August 2025 (Quelle):

FSA-Erklärung: Einsatz von DNA-Spray durch die Polizei bei Fußballspielen

Nachdem in dieser Woche berichtet wurde, dass die Polizei von Cheshire plant, den Einsatz von DNA-Spray bei Polizeieinsätzen bei Fußballspielen auszuweiten, gab der Geschäftsführer der FSA, Kevin Miles, die folgende Erklärung ab: 

“Wir sind sehr besorgt darüber, dass Polizeikräfte weitgehend unbewiesene Technologien gegen Fans einsetzen.

Ein missbräuchlicher oder unüberlegter Einsatz von DNA-Spray durch Beamte könnte dazu führen, dass unschuldige Zuschauer in Strafverfahren verwickelt werden, für die es keinen Grund gibt.

Die Verhaftungsstatistiken zeigen weiterhin, dass Fußball eine überwältigend sichere Aktivität ist – mit nur 5,5 Verhaftungen pro 100.000 Zuschauer im letzten Jahr. Wir müssen uns also fragen: Ist dies notwendig und verhältnismäßig?

Besonders enttäuschend ist für uns – in einer Zeit, in der die Regierung Gesetze erlassen hat, um sicherzustellen, dass die Fans ein Mitspracherecht haben – das völlige Fehlen einer Konsultation durch die Polizei.”

Fliegender Irrsinn

Bei einem Heimspiel unseres Vereins gegen den KSC steht die jahrzehntealte Fanfreundschaft des blau-weißen Lagers im Mittelpunkt. Diese Freundschaft wird durch die gesamte Anhängerschaft beider Vereine getragen und gelebt. Gefahrenpotenzial oder Ähnliches ist somit nicht vorhanden. Dies sollte eigentlich auch bei der Berliner Polizei längst angekommen sein. Das dachten wir zumindest noch bis wenige Tage vor dem diesjährigen Spiel.

Doch wieder einmal handelte die Berliner Polizei entgegen jeder rationalen Denkweise. Denn zum Einstand der neuen Polizei-Einsatzleiterin wurde massiv aufgefahren. Bereits am Vorabend des Spiels standen drei Mannschaftswagen der Polizei vor dem Olympiastadion, während im Innern die Aufbauarbeiten für die Choreografie liefen. Am Spieltag selbst waren dann deutlich mehr Einsatzkräfte als sonst üblich rund um den Parkplatz vor dem Osttor positioniert. Ganz genau wurden diesmal auch die Kontrollen an den Eingängen durch die Polizei beobachtet. Die Kirsche auf der überflüssigen Repressionstorte war dann aber der Polizeihelikopter, der über mehrere Stunden hinweg über dem Stadiongelände kreiste.

Wofür oder weswegen dieser Irrsinn von der Polizei vollzogen wurde, ist mit Blick auf die oben genannten Rahmenbedingungen des Spieltags weiterhin unklar. Passiert ist im Zusammenhang mit dem Spiel wie zu erwarten war auch nichts, was diesen Einsatz im Nachgang irgendwie rechtfertigen würde. Klar ist hingegen nur, dass hier erneut erhebliche Steuermittel völlig unnötig verbrannt wurden. An dieser Stelle könnten wir jetzt zahlreiche Dinge in der Stadt aufzählen, für die angeblich kein Geld mehr vorhanden sein soll oder die dringend besser finanziert werden müssten. In Anbetracht der schieren Masse an solchen Positionen ersparen wir den politisch verantwortlichen Personen diese Auflistung aber gerne.

Dieser Einsatz ist darüber hinaus ein weiteres mahnendes Beispiel in der Diskussion über die mögliche Weitergabe der Einsatzkosten an die Vereine. Denn solange die Polizei ohne jegliche Kontrolle eigenständig und wie hier geschehen erneut völlig realitätsfern ihre Einsatzstärke samt Nutzung von Großgerät selbst festlegt, läuft die Erzählung vom angeblichen Verursacherprinzip der Mehrkosten ins Leere. Wenn für solch einen Irrsinn dann evtl. zukünftig Rechnungen an die Vereine geschickt werden, bleibt diesen nichts anderes übrig, als alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um jeden einzelnen Bescheid überprüfen zu lassen. Auf die bereits jetzt schon heillos unterbesetzten Verwaltungsgerichte kommt somit noch mal ein ganzer Schwung vermeidbare Mehrarbeit zu. Selbst die Befürworter einer Kostenweitergabe sehen an diesem Punkt mittlerweile ihre Felle wegschwimmen und bringen als fadenscheiniges Kompromissangebot einen pauschalen Fonds ins Spiel. Hier sollen die Vereine einzahlen und damit alle Rechtsmittel aus der Hand geben.

Das oben genannte Beispiel reiht sich ein in eine Liste von zahlreichen Spielen bundesweit, bei denen es zu überflüssigen und absurd geplanten Polizeieinsätzen kam. Fans werden unnötig überwacht, kontrolliert und gegängelt. Es ist rechtsstaatlich völlig widersinnig, solch einen Irrsinn zukünftig dann auch noch den Vereinen in Rechnung zu stellen. Um das abzuwenden, müssen diese endlich laut und deutlich widersprechen und aufhören, die erneut holen Phrasen ihrer Verbände kommentarlos mitzutragen. 

Berliner Polizei veranstaltet realitätsferne Leistungsschau im Olympiastadion

Am vergangenen Freitag mussten wir einen Polizeieinsatz erleben, dessen Umfang und Auswüchse uns noch lange in Erinnerung bleiben werden. Denn der zeitgleich stattfindende Staatsbesuch hielt die Berliner Polizei nicht davon ab, einen völlig absurden Einsatz im Rahmen unseres Heimspiels gegen den 1. FC Magdeburg durchzuziehen. Trotz des Umstands, dass keine nennenswerte Rivalität zwischen beiden Fanlagern besteht, war das Aufgebot sowie der Materialeinsatz der Berliner Polizei im und um das Stadion enorm.

Am Einlass für die Gästefans wurden sogar im Stadion Polizeihunde eingesetzt, um eine durch die Polizei angeheizte Situation noch weiter eskalieren zu lassen. Aus eigener Beobachtung können wir uns hierzu vollumfänglich den Schilderungen der Fanhilfe Magdeburg anschließen.

Wir erwarten von unserem Verein Hertha BSC, diesen Polizeieinsatz kritisch zu hinterfragen und Antworten zu dem völlig absurden Kräfte- und Materialeinsatz bei der Polizei einzufordern. Ebenso muss der Verein als Veranstaltet aufklären, warum sich Polizisten anmaßten, direkt nach der regulären Kontrolle eine weitere Kontrolle von Fans durchzuführen.

Dies alles muss auch im eigenen Interesse des Vereins geschehen. Schließlich wird immer wieder über angebliche ausufernde Kosten für Polizeieinsätze und eine Umlage dieser auf die Vereine diskutiert. Dieser Einsatz zeigt sehr deutlich, wie weit fernab der Realität diese Diskussionen stattfinden. Denn die Polizei bewertet völlig eigenständig auf nicht nachvollziehbarer Grundlage, wie groß der Einsatz wird. Ohne externe Kontrolle und ohne jeglichen Bezug zur Realität. Wie so etwas dann aussieht, konnten alle Fußballfans am vergangenen Freitag wieder einmal sehr deutlich beobachten.

Fanprojektarbeit darf nicht kriminalisiert werden

Überall in Deutschland leisten Fanprojekte wichtige Arbeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen meist junge Fußballfans bei Problemen
und versuchen gemeinsam mit den Fanbetreuungen der Vereine am Spieltag zwischen Fans uns Sicherheitsbehörden zu vermitteln.

Und obwohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fanprojekte für ihre Arbeit ein enges Vertrauensverhältnis zu den Fans benötigen, wird ihnen durch die Strafprozessordnung keine Möglichkeit der Aussageverweigerung vor Gericht eingeräumt.

Dieser fehlende Schutz wird aktuell in Karlsruhe von der dortigen Staatsanwaltschaft ausgenutzt, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fanprojekts zu einer Aussage unter anderem bzgl. der organisatorischen Abläufe innerhalb der Fanszene zu zwingen. Nach der mehrfachen Verweigerung der Aussage droht die Staatsanwaltschaft nun Beugehaft für drei Angestellte des Fanprojekts zu beantragen.

Dieses Vorgehen legt die Axt an die Wurzel der Sozialen Arbeit und kriminalisiert die staatlich finanzierten Präventionsbemühungen der Fanprojekte. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat dadurch bereits jetzt schon die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Fanprojekt Karlsruhe und der KSC Fanszene massiv beschädigt. Die wichtige Arbeit der Fanprojekte, ob in Karlsruhe, Berlin oder an anderen Standorten, ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich.

Morgen, am 02. Oktober 2023, wird das Gericht über den Beugehaft-Antrag entscheiden. Es steht zweifelsfrei fest: Die völlig kopflose, falsche und willkürliche Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft in Karlsruhe muss gestoppt werden. Die wichtige Arbeit der Fanprojekte darf nicht kriminalisiert und damit unmöglich gemacht werden.

Hände weg vom Fanprojekt – ob in Karlsruhe, Berlin oder sonst wo!